CORONA positiv

10. Dezember 2020 Allgemein

Corona positiv entgegentreten ist die Kunst der Stunde, seit nun fast genau neun Monaten.

Ein neues Menschenleben kann entstehen in einer solchen Zeitspanne. Viele Menschenleben hat diese Zeitspanne verändert. Wir sind im Kampf gegen einen unsichtbaren Feind, der uns zeigt, wie verletzlich und fragil wir doch sind. Und noch ist das einzig wirksame Mittel dagegen das nicht-Zusammenrücken. Das nicht-Nah sein. Das Abschotten und Distanzwahren. Für uns als Herdentiere also ein eher unmenschliches Verhalten.

Mit argwöhnischen Blicken begegne ich der Familie, die mir auf dem Waldweg in der kalten Dezembernacht entgegenkommt. Den ganzen Tag habe ich alleine im Homeoffice verbracht. Mal sitzend. Mal stehend. Dann wieder sitzend. Ab und zu das Fenster auf. Dauerhaft telefonierend. Jetzt bin ich draußen. Atme in tiefen Zügen die frische Luft in meine Lungen. Genoss die Stille, die bis eben da war.

Es fühlt sich komisch an, diese Familie zu sehen. Fünf Personen. Menschen, die gemeinsam unterwegs sind, reden und lachen. Mein Unterbewusstsein signalisiert mir sofort, nach den Monaten der Abschottung und Distanzierung, dass es falsch ist, dass sie sich draußen so ausgelassen und intim zeigen. Dabei ist das doch das Normalste der Welt. Und soll es bitte auch bleiben. Trotzdem fühlt es sich nicht (mehr) richtig an. Es ist eine Mischung aus Neid und stiller Hoffnung, dass sie sich gemeinsam haben und die Zeit durchstehen.

Ich habe verurteilt ohne Kontext zu haben. Habe ihnen unterstellt sich nicht an die Regeln zu halten. Und weiß dabei selbst nicht, welche Entbehrungen sie auf sich genommen haben. Wie sie gerade leben. Wie tief Corona in ihr Leben eingeschnitten hat. Ich sehe nur eine Momentaufnahme aus ihrem Leben, einem Haushalt womöglich. Wie sie glücklich durch die kalte Nacht stapfen. Wie ich. Nur eben nicht alleine. Ich revidiere mein Urteil.

Zwei Wochen sind es noch bis Weihnachten. Dem christlichen Fest der Liebe, Sinnlichkeit und Nähe. Immer geprägt von wohlig warmen Familienabenden mit Spielen, Geschenken, schöner Musik, Geschichten bei Raclette oder Käsefondue.

Es wird dieses Mal ein anderes Weihnachten werden als alle Jahre davor. Darf man sich jetzt treffen? Darf ich darüber reden? Was denken dann die anderen? Viele Möglichkeiten, dass andere Menschen vorschnell verurteilt werden und unnötigerweise Neid und Unverständnis offen zur Schau gestellt werden.

Wir sind in unserer persönlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wie nie zuvor. Und es wird noch eine lange Durststrecke durch den Winter werden. Die individuelle Entscheidungshoheit und Freizügigkeit wird gerade durch Grenzkontrollen, Ausgangssperren und Lockdowns drastisch limitiert. Und ich kann selbst gerade schwer beurteilen, was wirklich sinnvoll und notwendig ist. Die Corona Tests und Infektionen in meinem eigenen Bekanntenkreis kann ich seit März an zwei Händen abzählen.

Es ist dennoch eine nicht vergleichbare Bedrohung, der wir gerade ausgesetzt sind. Wir haben als Menschheit noch keine ähnlichen Erfahrungen gesammelt. Lernen neu den Umgang mit einer Pandemie diesen Ausmaßes. Und haben gezwungenermaßen ganz nebenbei die Chance, den Umgang mit uns selbst (in den eigenen vier Wänden) zu lernen.

In welchem Verhältnis die politischen Maßnahmen zu den langfristigen Folgen der Isolation, Vereinsamungen und gesellschaftlichen Entkopplungen stehen, werden wir vermutlich erst viel später in einer Retrospektive wirklich beurteilen können.

Für sich diese Fragen jetzt zu beantworten und die eigene Haltung in Bezug dazu zu finden, das ist die Kunst der positiven Begegnung mit Corona und sich selbst.