Von weitem sieht er aus wie der brennende Dornbusch,
von dem die Bibel berichtet.
Ich meine hier den Heckenrosenstrauch,
den ich vollhängend mit Hagebutten nun gesichtet,
denn wegen dieser Scheinfrüchte bin ich unterwegs. Und
rot sind sie wie Feuer - jedoch ohne Glut und Rauch.
Und dann pflücke ich Funken um Funken
aus dem dornenbewehrten Zweigen.
Und siehe in knapp drei Stunden
sind etwa zwanzig Pfund* mein Eigen!
Zufriedenen Gesichtes trage ich die Ernte nach Haus
und schneide die Hagebutten mit dem Messer auf.
Und zusammen mit meiner Frau kerne ich sie aus -
Stunde um Stunde, heute, morgen und tagsdarauf.
Es ist eine Arbeit nicht ohne Qual,
denn etwa fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Kernchen
stecken in jedem Bauch!
Und das Stück für Stück in gar großer Zahl;
Und genauso große Geduld braucht man bei dieser
Arbeit auch …
Nur einem Ungeist - so meine ich - kann es gelingen,
Kernchen in so großer Zahl
in einen so kleinen Bauch zu zwingen!
Es ist ein Kunststück! Und damit setzte er sich ein
ewiges Denkmal.
Drei händevoll aus dem Korb genommen
messen an die achtzig Stück und etwa einhundert-
siebzig Gramm!
Je zwei leere Schalen bleiben zurück,
aber genau auf die kommt es an.
Und wer zählt - wie in dem Kinderlied - die Sternchen?
und wer würde es mit den Kernchen tun?
Er käme auf über einhunderteinundvierzigtausend
Kernchen!
Und er würde nach dem Zählen bestimmt gut ruh‘n!
Ist also eine gute Ernte geglückt,
tut man keine Zeit verlieren.
Da wir sofort das Messer gezückt
und es beginnt ein Massakrieren!
Ganz ohne Spritze und Narkose
wird geöffnet mit scharfem Schnitt
der pralle Bauch der Scheinfrucht Heckenrose,
sodaß der Inhalt sichtbar wird.
Anstelle von Herz und sonstigen Organen
quellen nun die Kernchen ohne Ende.
Es sind die Heckenrosensamen,
und bewachsen könnten sie ein quadratkilometer- großes
Gelände!
Bleiben wir noch ein bißchen im eigenen Hage- butten –
OP,
denn erneut wird das Messer angesetzt.
Und hier fährt die Spitze ohne Weh
tief in den Bauch – und ausgeräumt wird dieser jetzt!
Was danach übrig bleibt, ist einzeln kaum zu wiegen,
und das Operieren dauert lang
um auch die letzte Hiefe** "totzukriegen"!
Aber danach leuchten die Augen und das Herz lacht
voller Überschwang!
Und die Hände sind müde und verspannt,
desgleichen der gesamte Sitzapparat.
Aber was für ein kunstvolles Werkzeug die
menschlichen Hand,
erkennt man beim Schaffen auf solche Art.
Die Hiefen groß, die Hiefen klein
passen ohne Austausch von Werkzeugteilen
exakt um jedes Hiefelein!
Nur die Finger ermüden zuweilen!
Ist dann die letzte Operation gelungen und die Arbeit so
getan, werden die nun ausgeräumten Schalen der
Hagebutten erneut gequält!
Sie werden gekocht halb mit Wasser, halb mit Wein,
durchpassiert und als Masse mit Zucker vermählt,
erneut aufgekocht und eingesperrt in ein Glas hinein … !
Danach erst der Stolz der Hausfrau durchbricht,
und sie steht vor ihrem Werk, das so vorzüglich
gelungen.
Und ein Strahlen huscht über ihr Gesicht;
verklärt sieht sie aus, ganz so als hätten ihr die Engel
gesungen!
Der Absatz ist reißend!
Viele Hände strecken sich nach dem hervor- ragenden
Produkt.
Die Arbeit hat gelohnt, da jeder lobpreisend
etwas später schon wieder in den Vorratsschrank guckt!
* Nach dem Entkernen standen 4552 g Rohmasse zur Ver-
fügung!
** Hiefe = Hagebutte